Brian antwortete nicht. Er zerrte ihre Fesseln vom Besen, nahm sie in die Hand und zog sie eigenhändig Treppen hoch und durch Spiegel hindurch. Auch ihre Zimmertür erwies sich als ein Spiegel. Er stieß sie grob hindurch, so dass sie auf das mit grünem Samt gedeckte Himmelbett fiel. Noch bevor Chellestrita reagieren konnte, hatte er ihr die Fesseln von den Händen genommen. „Willkommen in deinem neuen Zuhause, Chellestrita Potter", sagte er. „Falls du hoffst, durch den Spiegel zu entkommen oder raumzuwandeln, muss ich dich enttäuschen. Sämtliche Spiegel sind verzaubert, ebenso die Mauern dieser Burg. Nur ein Wesen, das altert, kann sie verlassen. Da gehörst du bekanntlich nicht dazu. Die einzige Person, die dich hier herausholen kann, bin somit ich. Hinter dem grünen Vorhang ist die Toilettentür und ein Waschraum, im Schrank sind Kleider und Wäsche. Der Wäschekorb steht im Bad. Du musst dich um nichts kümmern. In einer halben Stunde komme ich zurück. Ziehe das an, was auf dem Bett liegt und dusche dich vorher.“ Und fort war er. Chellestrita stand auf und rannte zum Spiegel. Sie legte beide Hände darauf und drückte, doch nichts geschah. Sie riss die Fenster auf und versuchte, ihren Kopf heraus zu stecken, traf jedoch auf eine solide, unsichtbare Wand. Mit einem langen Wutschrei warf sie sich aufs Bett und schlug auf die Kissen ein. „Hör auf, das Bett von Merredith Slytherin zu demolieren!“, hörte sie eine bekannte Stimme, wenn auch etwas gedämpft. „Sassijah!“ rief Chellestrita erleichtert aus. „Ein Glück!“ Die Urvampirin stand direkt hinter dem Spiegel, durch den Brian sie eben verlassen hatte. „Freue dich nicht zu früh", sagte Sassijah finster. „Wenn ich versuche, dich hier herauszuholen, stecken wir beide fest. Du hast gehört, was er gesagt hat", fügte sie hinzu und ein trotziger Ausdruck trat in ihre hellen, grauen Augen. „Es ist besser, du tust was er sagt. Als ich euch zwischen den Spiegeln gefolgt bin, sah ich auch Chellestra in einem der Zimmer. Wenn du also nicht gehorchst, tut er dem Kind etwas an", murmelte sie mehr für sich. „Er hat Chellie", sagte Chellestrita. „Sie lebt.“ Und um das Glück ihres Kindes nicht zu gefährden, rannte sie ins Badezimmer und duschte sich. Erst, als sie wieder in ihrem Gefängnis war, bemerkte sie ein langes, grünseidenes Kleid mit silbernen Verzierungen. Dazu passende Ohrringe und eine Halskette lagen auf einem kleinen Toilettentischchen. „Während unser ‚Freund’ unterwegs ist, kann ich dir etwas sagen. Dieses Haus schenkte ich Merredith Slytherin, als sie 17 wurde. Dieses Zimmer war ihr Zimmer, bis sie geheiratet hat und kein Schlafzimmer gebrauchen konnte, in das außer ihr und ihren zukünftigen Kindern jemand gehen kann. Sie wurde getötet, als sie 35 war. Zu der Zeit sollte sie in dem Alter schon verschrumpelt sein, sah aber noch aus, wie ein junges Mädchen. Dazu verschwanden im naheliegenden Dorf Hühner. Du verstehst, worauf es hinausläuft. Als der Mob vor der Tür stand und Merredith aufmachte, warfen sie ihr eine Fackel ins Gesicht. Niemand konnte sie retten, nicht einmal ich. Sie starb erst kurz vor Sonnenaufgang des nächsten Tages.“ Eine blutrote Träne rollte Sassijahs Wange herab, als sie Chellestrita diese Geschichte erzählte. „Ich muss gehen, er kommt!“, flüsterte sie dann und war aus dem Spiegel verschwunden. Und Chellestrita sah sich, zum ersten Mal seit zwei Jahren, wieder ihrer Tochter gegenüber.