Als sich die Kiste öffnete hatte ich nur einen Gedanken. Nichts wie weg hier! Normalerweise hätte ich in wenigen Mikrosekunden den Planeten verlassen, die Galaxie verlassen, wäre schon längst auf dem Weg nach Hause. Doch ich spürte Schmerz, einen stechenden Schmerz und ich spürte wie mich meine Energie verlies. Gerade so, als wäre ich einer dieser Menschenmaschinen und man hätte mir den Stecker herausgezogen. Ich kam nur auf die Höhe dieser Straßenlaterne, wo mich das Licht anzog wie ein Insekt. Ich blieb dort um meine Seele wieder zu stabilisieren und sah von dort oben diesen Jungen, der mich aus der Kiste befreit hatte und dort in die leere Kiste reinsah, als wäre dort sein allergrößter Schatz drin. Diese verdammten Strahlen! Sie hatten meine Biosubstanz zerstört und nun hatte ich die Konsistenz eines Wackelpuddings. Na gut, eines unsichtbaren, mit Menschengeräten nicht messbaren Wackelpudding. Ihr versteht was ich meine, hoffe ich.
Ich sah in die Kiste und sah - nichts. Doch ich hätte schwören können, das etwas an mir vorbeigeflogen ist...
Ich linkte mich in das Sprachzentrum des Jungen ein und merkte, dass er eine völlig andere Sprache sprach, als die Wissenschaftler aus Area 51. Es war sogar der Wortschatz zwei verschiedener Sprachen vorhanden - und das, obwohl er so jung war. Und dann versuchte ich etwas, was ich noch nie vorher versucht habe...
Ich hörte plötzlich eine helle Stimme. Ich drehte mich um, doch da war keiner. Es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass die Stimme direkt aus meinem Kopf kam. "Hallo? Hallo, kannst du mich hören?", piepste es in meinem Kopf. "Wer bist du?", rief ich. "Und wo bist du?" "Ich bin hier oben. Bei der Lampe." Ich drehte mich um, aber ich sah nichts bei der Lampe. "Weiter oben. Beim Licht." "Du meinst, du bist eine Fliege?" "Nein, ich bin..."
Ich durchforstete das Sprachzentrum des Jungen und suchte nach Ausdrücken, die meine Existenz am treffendsten umschreiben konnte. Doch es gab nur ein einziges Wort, das annähernd passend schien - Außerirdischer. Mit diesem Sprachteil wurden zeitgleich die Bilder von seltsammen grünen Männchen angezeigt. Oder von grausigen Gestalten mit Eierköpfen und insektenartigen Augen. Aber trotzdem - "Ich bin ein Außerirdischer." "Echt? Ich hätte mir Außerirdische anders vorgestellt. Bist du unsichtbar. Warum zeigst du nicht?" "Weil ich das nicht kann." "Warum kannst du das nicht?" Ich forstete in seinem Sprachzentrum nach der Formulierung, die er verstehen würde, doch das einzige Sprachteil, das passen würde, war... "Darum" Er lachte. "Du bist lustig. Bist du eigentlich ein Junge oder ein Mädchen?" "Das weiss ich nicht." "Warum?" "Darum" Der Junge seuftste. "Mir wäre es lieber, wenn du ein Mädchen wärst. Ich wollte schon immer eine große Schwester und die anderen Kinder in meiner Klasse haben immer so fiese Brüder. Bleibst du hier? Bitte, bitte." Ich konnte nicht zurück. Meine Begleiterseele war weg und ich war meiner Kräfte beraubt. Warum nicht eine Weile hier auf dem Planeten bleiben? Wer konnte schon den Wunsch des Jungen ausschlagen, wenn er so traurige AUgen machte? Ich durchforstete seinen Kopf nach passenden Informationen und begann mich zu verwandeln.
Und dann fiel dieses Mädchen einfach aus dem Nichts auf den Bürgersteig. Einfach so. Fast wie Zauberei. "Wie hast du das gemacht?" Sie strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht. Jetzt war sie mir so ähnlich, dass wirklich jeder glauben könnte, sie wäre meine Schwester. "Ich weiss es nicht. Ich konnte es einfach." Sie lachte und drehte ihren Körper hin und her. "Das ist lustig. Man muss nicht aufpassen, dass man auf einmal wegfliegt. Aber auch ein bisschen komisch. Aber es wird schon gehen. Wie sollen wir mich nennen?" Ich dachte an das, was auf der Kiste stand. "Nilam." Sie grinste. "Das klingt gut." "Gut, komm wir gehen nach Hause."