Wurmschwanz rannte in seiner Rattengestalt die dunklen Gänge Hogwarts entlang. Es war nach Mitternacht, Nachtruhe und kein Schüler irrte mehr herum. Er rannte durch Gänge, nach Abkürzungen durch Mäuselöcher und Rohre. Nach sieben Jahren Hogwarts und sieben Jahren in Hogwarts in seiner Rattengestalt kannte Hogwarts wohl niemand besser als er. Er brauchte keine Karte, wie Harry. Warum war die überhaupt aufgetaucht? Er hatte nicht gemerkt, dass sie all die Jahre im Besitz der Zwillinge gewesen war. Doch bei Harry war sie gefährlich. Der Junge war neugieriger, als ihm guttuen würde. Allgemein, seit er bei Ron war, war das Leben für Peter viel aufreibender geworden, als es all die Jahre vorher bei Percy gewesen war. Der Troll, Quirrell, die Kammer des Schreckens. Harry scheint die Gefahr förmlich anzuziehen und Ron war natürlich als sein Bester Freund mittendrin. Warum hatte sich Ron ausgerechnet Harry Potter als Freund ausgesucht? Peters Leben würde so viel ruhiger verlaufen, wenn Ron mit Neville Longbottom befreundet wäre.
Er huschte ein weiteres Rohr hinauf. Er brauchte Ablenkung. Das Rattentonikum brachte ihm nichts als Durchfall und das einzige was Peter half, in diesen verrückten Zeiten seine Nerven zu behalten war Alkohol. Und den gab es leider nicht so einfach in der Küche, wie das restliche Essen. Wie verdammt nochmal hatte Sirius es geschafft aus Askaban auszubrechen? Und wie hatte er es geschafft nach Hogwarts zu kommen? Natürlich fiel ihm das um einiges leichter in seiner Animagusgestalt, dennoch musste man Hogwarts erst einmal finden in seiner Nichtmagischen Gestalt. Aber jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er ihn finden würde. Er musste weg. Aber wohin? Zurück zu seiner Mutter? Ging nicht. Er galt als tot, da wäre es dämlich einfach so wieder lebendig aufzutauchen. Flora war tot, also konnte auch nicht zu ihr. Er konnte auch wieder einfach zu einer anderen Zaubererfamilie, doch wie lange konnte er das durchhalten? Nicht bei jeder Familie war so viel los, dass es einfach nicht auffiel, dass die Hausratte neun Jahre länger lebte als normal. Außerdem hatte er seine Rattengestalt so langsam aber sicher satt. Als letzte Möglichkeit blieb höchstens noch die Rückkehr zum dunklen Lord. Er hatte gehört, wie Harry Ron erzählte, dass Dumbledore glaubte, er hielte sich in Albanien auf. Wenn er freiwillig zurückkehren würde, würde der Lord ihn vielleicht nicht mehr so schlimm behandeln. Und er wäre zumindest sicher vor Sirius. Verrückt, er musste schon sehr verzweifelt sein, um zum Dunklen Lord zurückzukehren. Nicht daran denken. Er brauchte Ablenkung.
Endlich war er am Ziel. Er quetschte sich durch ein letztes Mäuseloch und war da: Im Büro von Professor Trelawney. Er verwandelte sich zurück, um besser an den Schnapsschrank zu kommen. Die Alte war meistens so durch den Wind, dass eine Elefantenherde durch ihr Turmzimmer trampeln könnte und sie würde es nicht bemerken. Er durchwühlte den Schrank. Nur süßes Zeug, wo war der verdammte Feuerwhiskey? Seine Hände zitterten. Beinahe hätte er den halben Schrank auf dem Boden verteilt. Endlich fand er den Whiskey und trank direkt aus der Flasche. Der machte seinem Namen alle Ehre und brannte ihm förmlich alle Sorgen weg. Sirius, der dunkle Lord, Harry und dieser vermaledeite Kater von Hermine. Endlich alles weg.
Plötzlich hörte er ein leises Schnarchen und Gurgeln aus der Ecke. Peter drehte sich um. Verdammt, er war so auf den Schrank fixiert gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass Trelawney nicht in ihrem Bett im anderen Zimmer sondern direkt in der Ecke in ihrem Schaukelstuhl war. Mit dem Kopf gen Zimmerdecke gerichtet gurgelte sie ein paar Schnarcher heraus und lies den Kopf dann in seine Richtung sinken. Peter ging näher. Der dunkle Lord war hinter ihr her gewesen, wegen dieser Prophezeiung. Wie konnte er sie so ernst nehmen, die verschrobenen Worte einer versoffenen Kuh? Was wenn sie wirklich nur Müll geredet hatte? Dann war doch alles Leiden umsonst gewesen. Trelawney schnarchte noch einmal tief und schüttelte ihren Kopf.
Und sah ihn direkt an.
Peter machte vor Schreck einen Satz nach hinten. Trelawney Augen waren offen und kugelrund, aber die Pupillen waren nach oben gerichtet und zitterten wie verrückt in ihren Augenhöhlen. Peter wollte aus dem Zimmer herausstürmen und diese gruselige Frau hinter sich lassen, doch irgendwas hielt ihn zurück. War es der Alkohol oder dieses Phänomen das man hatte, wenn man einen schweren Quidditchunfall beobachtete? Trelawney öffnete ihren Mund und begann mit heiserer Stimme zu sprechen:
"Lange schon ist er an Hogwarts, versteckt und gehört schon lange nicht hierher. Feige waren seine Taten und geächtet ist er. Auf der Suche nach etwas, was er hier nicht finden wird. Jedoch ist nicht alles wie es scheint und tot ist in Wirklichkeit lebendig. Verrat ist Verrat, trotzdem ist die Schicksalsgöttin milde gestimmt und wird ihm das geben, was er sucht, wenn er dorthin zurückkehrt wo der Verrat begonnen hat. Und Feigheit wird zu Mut, wenn er seinem Meister zu neuer Stärke verhilft. Mit seinem Fleisch wird er ihn stärken. Mit seinem Fleisch wird er ihn wieder vernichten, wenn der Mut die Feigheit besiegt hat. Dort wo es begann wird es enden. Und wird doch immer sein."
Trelawney hustete und schlug in ihrer Trance um sich. Peter stolperte zurück, rannte zurück zum Mauseloch und stieß gegen die Wand. Fluchend rappelte er sich auf. Trelawney war wieder eingeschlafen und schnarchte seelig. Wurmschwanz verwandelte sich wieder in eine Ratte und rannte die Rohre hinunter. Was war das? War das wieder so eine echte Vorhersage? Und wenn hatte sie damit gemeint? Etwa ihn? Wenn das wahr war, konnte das für Peter nur eines heißen:
Er musste zurück zum dunklen Lord. Und Flora war noch am Leben.