"Madame Rochefort, ich kann einfach nicht verstehen, was ihr Problem ist." Normalerweise machten Arebe Elterngespräche nichts aus, doch dieses fand sie wirklich lächerlich. "Mademoiselle",verbesserte sie Mademoiselle Rochefort. "Und es ist eher ihr Anliegen, das ich nicht verstehen kann. Weswegen benötigt Marie eine ganze Woche Schulbefreiung, wo doch wenige Wochen danach die Sommerferien anfangen?" "In dieser Woche findet in Schottland ein internationaler Sprachaustausch statt. Der findet jedes Jahr um diese Zeit statt und kann nicht verschoben werden." "Internationaler Sprachaustausch. Ich verstehe das nicht. Marie braucht keine Förderung in Englisch, ich habe ihre Noten gesehen. Sie hat eine neunzehn in Englisch. Eine neunzehn! Sie sollte sich wirklich auf ihre anderen Fächer konzentrieren. Und wir schreiben in der Woche einen sehr wichtigen Mathematiktest..." "Ach komm, Justine. Es ist ja nicht so, als wäre Marie in Mathe viel schlechter. Sie ist Klassenbeste. Hast du Angst, dass du deinen Klassenschnitt nicht erreichst, wenn Marie nicht mitschreibt?" , schielt sich Myjanas Klassenlehrerin ein. Mademoiselle Rochefort warf ihrer Kollegin einen bösen Blick zu. "Hören Sie. Es ist ja nicht so, als wäre die ganze Sache zu kurzfristig. Die Befreiung liegt schon seit Schuljahresbeginn vor und wurde sogar von der Schulleitung abgesegnet. Die Flüge und das Hotel sind schon längst gebucht und bezahlt. Ich habe eine Vertretung für meine Abwesenheit in der Apotheke organisiert, die ich bezahlen und anmelden muss." Arebe hob ihr Kinn und versuchte dadurch selbstbewusster zu wirken. "Kein anderer Lehrer hat jemals deswegen Probleme gemacht." "Marie ist ja auch nicht mehr in der Grundschule. Hier am College herrscht ein anderer Wind, Madame Brest." "Sie ist in der Sixieme! In der Troisiemme würde ich das ja noch verstehen." Arebe musste sich zurückhalten, nicht laut loszuschreien. Normalerweise konnte man mit Lehrern ruhig und vernünftig reden, doch das scheint hier nicht der Fall zu sein. Schade. Sie hatte Mademoiselle Rochefort immer für eine kluge, logisch handelnde Frau gehalten. "Justine, ich muss hier Madame Brest Recht geben. Die Befreiung ist bereits genehmigt und war schon lange vor dem Termin des Mathetests bekannt. Es ist völlig legitim, das Marie die Woche freibekommt, um nach Schottland zu fahren." Sie lächelte Arebe zu. Arebe hätte sie am liebsten umarmt. "Gut", Arebe strich sich die Haare nach hinten. "Wenn sie mich entschuldigen, ich muss wieder zurück in die Apotheke. Meine Schwester vertritt mich und sie müsste um diese Uhrzeit eigentlich in ihrem eigenen Geschäft sein. Sie wissen schon. Mittagsgeschäft in der Gastronomie." "Natürlich Madame Brest.", die Klassenlehrerin lächelte sie an. "Können Sie mir vielleicht noch einen Gefallen tun, und mir das zurücklegen? Ich hole es dann nach dem Nachmittagsunterricht ab." Sie überreichte Arebe ein Rezept. "Selbstverständlich, Madame Petitbeau." Sie verliesen den Raum und Madam Petitbeau begleitete sie durch die Schulflure. "Es hat mich gefreut sie endlich kennenzulernen Madame Brest. Marie ist wirklich ein unglaublich fleissiges Mädchen. Ziemlich schüchtern, aber ihre schriftlichen Arbeiten gleichen das sehr gut aus. Überaus begabt in Sprachen. Kann es sein, dass sie bilingual aufwächst?" "Was...? N..nein." Arebe versuchte sich die Lüge nicht anmerken zu lassen. Da drudonisch nicht als Sprache galt, sprach Myjana offiziell nur französisch als Muttersprache. "Dieser natürliche Umgang. Dieses wie selbstverständliche Umswitchen. Sie hatte schon am Anfang bereits einiges an Vokabular. Ich glaube nicht, dass das nur von dieser einen Woche im Jahr kommt." "Naja, sie hat eine brittische Brieffreundin... Ihr Vater war Brite. Da kann sie schon was aufgeschnappt haben..." "Oh, ihr Mann ist Brite?" Arebes Herz rutschte in die Hose. "N...nein, ich bin nicht verheiratet. Myj... Maries Vater starb vor ihrer Geburt." Madame Petitbeau blieb geschockt stehen. "Oh, das tut mir leid. Ich wollte nicht taktlos sein." Arebe versuchte zu lächeln. "Das ist schon in Ordnung Madame Petitbeau. Machen Sie sich keine Sorgen." Sie verabschiedeten sich und Arebe machte sich wieder auf den Heimweg.