Das war komplette Zeitverschwendung, ärgerte sie sich. Zwei komplette Stunden waren für etwas drauf gegangen, das schon längst geklärt schien. Und ganz zu schweigen, dass sie sich dafür extra noch ins Business-Kostüm gezwängt und hochhackige Schuhe angezogen hatte. Was für eine Zeitverschwendung! Sie betrat den Muggelteil ihrer Apotheke durch den Haupteingang. "Und alles glattgelaufen mit Myjanas Schule?", begrüßte sie Geraldine, ihre Angestellte. "Fragen Sie nicht. Ein Hick-Hack wegen einer Woche Schulbefreiung. War irgendwas besonderes?" Geraldine schüttelte den Kopf. "Nur ein paar Touristen durchgekommen." Arebe legte das Rezept auf die Theke. "Können Sie das für Madame Petitbeau zurücklegen? Das ist Myjanas Englischlehrerin. Sie wird es nach der Schule abholen." "In Ordnung Madame Briconara." Geraldine machte sich auf ins Lager. "Und können Sie mir noch Ihre Stunden mitteilen, die Sie diesen Monat gearbeitet haben? Ich möchte dem Druidentreff noch die Lohnabrechnung und die Buchhaltung fertig machen." "Liegen bereits im Büro in ihrem Fach." "Sie sind ein Schatz, Geraldine." Arebe überflog im Büro erst einmal den Papierkram und zog ihre Schuhe aus. Die Tür öffnete sich und ihre Schwester Lhyreja kam herein. "Ach, da bist du ja wieder, Arebe. Bekommt Myjana frei für den Druidentreff oder machen die Muggel immer noch Probleme?" "Sie bekommt frei. Myjanas Englischlehrerin hat sich durchgesetzt." "Das will ich auch hoffen. Ich hätte denen die Hölle heißgemacht. Oder ihnen ein paar Verwechslungszauber aufgehetzt. Du bist immer viel zu nett in solchen Sachen." Arebe lächelte. "War irgendetwas besonderes?" "Eigentlich nicht." Lhyreja drehte sich wieder zur Tür. "Wobei - Kennst du eine Flora Jardin?" Arebe lies ihren Stift fallen. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Hatten die Todesser ihren Schutzwall durchbrochen? Waren sie auf der Suche nach ihr? Wie hatten sie herausgefunden, dass sie noch lebte? "W..Warum?" Lhyreja holte einen gefalteten Zettel aus ihrer Schürzentasche. "Von so einem komischen Engländer. Hat nichts gekauft und ist gleich danach abgehauen." Sie schüttelte den Kopf. Lhyreja reichte Arebe den Zettel. Die Schrift kam ihr bekannt vor. Doch konnte das sein? Nein, das war nicht möglich. Er war tot, in Stücke gerissen von einem seiner besten Freunde. Ihr Herz klopfte. Sie wollte den Zettel nicht vor ihrer Schwester öffnen. "Wie sah er aus?" "Naja, ziemlich klein für einen Mann. Etwas pummelig. Kaum Haare auf dem Kopf. Kleine Augen, spitze Nase. Er hat mich irgendwie an Myjana erinnert." Arebes Herz setzte einen Schlag aus. "Er hat auch sein Zeug dagelassen. War völlig durch den Wind. Meinte, dieser Flora Jardin würde der Laden hier gehören." Lhyreja schüttelte den Kopf und holte ein Buch aus ihrer Schürzentasche. Der Reiseführer! Peter. Er lebte tatsächlich. Doch wie war das möglich? "Wann war er hier?", Arebe merkte, das ihr Mund völlig trocken war. "Fünf Minuten, nachdem du weg warst. Kennst du ihn etwa?" "Ich? Nein...." sie versuchte ihre zitternden Hände zu beruhigen. Wenn er vor zwei Stunden hier war, war er vermutlich schon über alle Berge. Verdammt! Sie wartete, bis Lhyreja das Zimmer verlassen hatte, dann las sie sich den Zettel durch. Er wollte zurück zum dunklen Lord. Das konnte sie nicht zulassen. Es war ihre Schuld, nur ihre Schuld. Ohne ihre Schuhe wieder anzuziehen rannte sie hinaus ins 21. Arrondisement. "Anoquey", schrie sie und wusste gleichzeitig, dass es nichts brachte. Sie rannte alle Straßen ab, ging wahllos in Läden rein, hoffend, dass er noch ein bisschen in Paris geblieben wäre, doch nirgends war auch nur eine Spur von ihm. Nichts. Nur dieser Brief und Lhyrejas Worte bewiesen, dass er hier gewesen war. Arebe sank kraftlos auf den Stufen des Krankenhauses zusammen. Alles Ihre Schuld.