ZitatJeder hat Angst: vor der Euro-Krise, dem steigenden Flusspegel, dem Notendurchschnitt. Lous beste Freundin Maria hat Angst vor dem Krebs. Als sie von einem Zug erfasst wird und nur knapp überlebt, sprechen alle von Selbstmord. Da ruft Lou den Sommer ohne Angst aus. Ihr Plan: zu leben, als sei es ihr letzter Tag. Tun, wovor sie sich immer gefürchtet hat. Sich fühlen, wie Maria sich gefühlt hat. Ihre selbstgedrehten Videos postet Lou auf ihrem YouTube-Channel, dem sie den Titel »Marias letzter Tag« gibt. Rasant steigt die Zahl der Klicks, es entsteht eine Bewegung der Angstverweigerer. Die Mitschüler, Freunde und Fans übertrumpfen sich mit immer gefährlicheren Mutproben. Und irgendwann verliert Lou die Kontrolle ...
Das Buch ist sehr liebevoll gemacht. Mit verschiedenen Schriftarten für verschiedene Teile des Textes, mit mehreren Schwarzweiß-Fotos, kleinen Play-Zeichen an jedem Kapitelbeginn und eine Art Tagwolke mit unterschiedlichen Schriftgrößen. Auch sonst ist an dem Buch so Einiges experementell - dieses Jugendbuch darf zur anspruchsvolleren Jugendlektüre gezählt werden, die auch mich gepackt und nicht mehr losgelassen hat, sodass dies eins dieser Bücher wurde, die ich an die absurdesten Orte mit mir mitgeschleppt (und obwohl mir davon schwindelig wurde sogar auf dem Hometrainer gelesen) wurde. Sehr gekonnt baut die Autorin hier nämlich zwei Parallelwelten auf - die Dorfwelt der Erwachsenen, in der jeder jeden kennt, jedes Jahr die gleichen Feste gefeiert werden und jedes Ereignis die Runde macht - und die Welt der Teenager im Internet, in der man sein Leben nicht mit ein paar hundert, sondern mit tausenden von Menschen teilt und in der Trends sich auf eine Weise hochschaukeln können, wie sich die Offliner es kaum vorstellen können. Was ich toll fand, war, dass das Netz nicht per se verteufelt oder verurteilt wird. Smartphones und Social Networks sind Teil des Lebens - aber während die Jugendsünden früher kaum Konsequenzen hatten, weil im Idealfall schlicht niemand von ihnen erfuhr, vergisst das Internet nie (und gleichzeitig sofort, wenn man nicht dauernd auf sich aufmerksam macht) und Lou fehlt mit sechzehn der Weitblick für das, was sie losgetreten hat und nicht mehr eingedämmt bekommt. Sehr realistisch auch, dass Jugend hier nicht mehr das gelobte Land ohne Sorgen ist. Die Probleme der Jugendlichen fühlen sich ernstgenommen und authentisch an.
Gelesen habe ich es im Rahmen einer Leserunde auf Katze mit Buch.